Der Eisbrecher vom Karches-Weiher

 

Eine beliebte Schiwanderung in den 1960-er Jahren war - nicht nur für mich - die Tour von Fichtelberg auf den Ochsenkopf, anschließend die „wilde" Ost-Abfahrt hinunter zum Karches und ein erneuter Aufstieg zum Seehaus. Je nachdem wie spät am Tag es dann schon war, konnte man die Einkehr am Seehaus ausdehnen. Die Reststrecke hinab zum Parkplatz und vorbei am Fichtelsee zurück zum Bahnhof Fichtelberg war keine all zu große Kraftanstrengung mehr. Genau diese Schitour hatte ich mir damals an einem Spätwintertag wieder mal vorgenommen. In den niederen Lagen gab es schon viele apere Flächen, aber im „Hohen Fichtelgebirge" war es noch richtig Winter. 


Es war ein sonniger Tag mit angenehmen Temperaturen, so dass mir beim Aufstieg über die „Rundfunkstraße" ganz schön warm wurde. Eine kurze Einkehr in der damals noch recht kleinen und fast schon heimeligen Gaststätte im Asenturm war natürlich obligatorisch. Und wenn am frühen Vormittag die Gaststube noch nicht warm war, dann konnte man auch schon mal bei den damaligen Wirtsleuten, den netten Lauterbachs , in der ebenfalls sehr kleinen Küche sitzen.

 

Nach der Stärkung ging’s über die Naturbuckel-Piste am Osthang hinunter Richtung Karches. Wobei man aber stets mit aufsteigenden Skiwanderern rechnen musste. Denn Abfahrt und Aufstieg fanden auf der gleichen Spur statt; es war sozusagen eine „eingleisige Strecke". Am Ende der Abfahrt führte die Loipe in einem Bogen westlich um den Karchesweiher herum, welcher noch ganz zugefroren war (vermeintlich!!) und auf dem der Schnee in der Sonne glitzerte. Der direkte Weg über den Weiher wäre ja eigentlich ein wenig kürzer - kam es mir in den Sinn. Und schließlich konnte ich doch noch vor einigen Tagen mit den Schiern über den Fichtelsee fahren. Ohne lange zu überlegen zog ich eine eigene neue Spur schnurgerade Richtung anderes Ufer. Dieses lag aber im Gegensatz zum restlichen Teil des Weihers schon länger in der Sonne. Das hatte zur Folge, dass sich zwischen Eisfläche und Uferhang eine ca 50 cm breite „Randkluft" gebildet hatte. In meinem ehrgeizigen Vorwärtsdrang Richtung Seehaus und durch den grellen Schnee leicht geblendet, hatte ich diese Tatsache aber nicht bzw. zu spät erkannt! Mit einem gewaltigen Doppelstock-Schub wollte ich mich schnell noch ans rettende Ufer katapultieren; aber alle Mühe war vergebens! Mein Oberkörper landete zwar noch auf der trockenen Uferböschung, aber unter den Schiern brach das dünne Randeis ab und ich versank bis zu den Knien im kalten Wasser!! Ausgerechnet heute, wo ich wirklich einmal nicht einkehren wollte im Karches, bescherte mir das Schicksal einen längeren „Zwangsaufenthalt"! Zum Glück stand da in der Wirtsstube ein Ofen, der nicht nur mich wieder auf Betriebstemperatur brachte, sondern auch meine Socken und Kniestrümpfe so halbwegs zu trocknen vermag. Wie gut, dass man damals bei solchen Schiwanderungen meist in Kniebundhosen unterwegs war; so konnten doch keine Hosenbeine nass werden. Dafür aber die Schiunterwäsche jener Zeit. Die Dauer des unfreiwilligen Aufenthalts möchte ich rückblickend mal mit einer Brotzeit und mindestens zwei Flaschen Bier bemessen. Dann konnte ich meine Sachen wieder anziehen.

 

Aber zum Seehaus bin ich trotzdem noch hinauf; nur musste ich die Einkehrzeit auf ein Mindestmaß beschränken, um noch rechtzeitig zum Zug nach Fichtelberg zu kommen. Bis dort hin waren auch meine Strümpfe fast wieder trocken. Die ledernen Schischuhe allerdings brauchten dazu 3 Tage.

 

Bei all den unangenehmen Begleiterscheinungen dieses Zwischenfalls war für mich am allerwichtigsten, dass es keine unmittelbaren Augenzeugen gab bei meinem Einsatz als „Eisbrecher" am Karches-Weiher.

 

Horst Königsberger, Germering