Wie ein Hüttenwirt überrascht wurde

 

An einem nebelig trüben Wochentag im Spätherbst, an dem normalerweise eigentlich nur ein paar unverwüstliche „Wurzelstolperer" unterwegs sind, dachte das auch der Hüttenwirt vom Kösseinehaus und entschloss sich abzufahren, um einige geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen, wie z.B. Bank, Post und Einkauf. Für den Fall, dass sich bei diesem Wetter tatsächlich ein oder zwei Wanderer auf „seinen" Berg „verirren" sollten, war ja seine Schwiegermutter anwesend, um die zwei oder drei Halbe Bier aus- bzw. einzuschenken.

 

 

Aber da hatte er wohl „die Rechnung ohne den Wirt gemacht". Denn schon kurze Zeit, nachdem er das Haus verlassen hatte, kamen so nach und nach doch einige Wanderer, welche nach der Devise „Wanderwetter ist immer" unterwegs waren. Darunter war auch ein "Stammgast" aus der näheren Umgebung. Die Bestellungen der anfänglich wenigen Gäste konnte die „Ersatz-Wirtin", die sonst ja „nur" in der Küche arbeitete, noch recht zügig erledigen. Weil aber immer noch mehr Besucher kamen, war die Frau bald sicht- und hörbar überfordert. Der Stammgast merkte das und bot ihr seine Unterstützung an. Da er der Frau sehr gut bekannt war, durfte er mit in die Küche und nach ihren Vorgaben die Wünsche der Gäste nach Möglichkeit erfüllen. Das ging schließlich so weit, dass er sowohl Kuchenstücke als auch Pressackscheiben nach eigenem Gutdünken abschnitt und den Besuchern servierte. Da er es ja gewohnt war, hier oben keine kleinen Portionen zu bekommen, handhabte er das nun auch als „Wirt" so! Frau K. hatte erstens volles Vertrauen in ihre männliche „Küchenhilfe" und zweitens gar keine Zeit, um die Arbeit derselbigen zu überwachen. So nahm das Schicksal seinen Lauf! Die Zufriedenheitsquote unter den Gästen dürfte nur selten auf irgend einer Hütte so hoch gewesen sein wie an jenem Nachmittag vor ca. 50 Jahren auf dem Kösseine-Haus!

 

 

Gerade als das Geschäft so „richtig florierte" - man könnte auch sagen, als die drohende Insolvenz ihrem Höhepunkt zustrebte - kam der "Chef nach Hause! Angesichts der vielen Gäste überfiel ihn erst mal eine kurze Sprachlosigkeit und als er die XXL-Portionen erblickte, bekam er einen (gespielten) Tobsuchtsanfall, bei dem er dem „Aushilfskellner" erklärte, dass der ihm gerade den Verdienst des halben Sommers zunichte gemacht hätte! Der so Getadelte wusste nicht so recht, wie ernst er den Auftritt des Hausherrn nehmen sollte, obwohl er ihn nun ja schon von vielen Besuchen hier oben zu kennen glaubte. Erst als der echte den „Ersatz"-Wirt zu einem versöhnlichen Sechsämter einlud (oder waren es zwei?), fiel diesem ein (Granit-) Stein vom Herzen. Und als der Wirt seinen angeblichen „Pleite-Macher" in der Dunkelheit auch noch bis vor die Haustür heimfuhr, war sich dieser bewusst, dass er ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen wieder auf seinen Hausberg kommen und dort oben auch wieder einkehren durfte . Und das hat der Schreiber dieser Zeilen auch noch viele Male getan. Aber zu einer erneuten „geringfügigen" Beschäftigung im Gastgewerbe ist es dort oben nicht mehr gekommen .

 

 

Sowohl Frau K. als auch der Wirt sind schon lange von uns gegangen, aber immer, wenn ich das Wort Kösseine höre oder lese, denke ich mit Schmunzeln auch an dieses Erlebnis zurück.

                                                                                                                                                                                                                    Horst Königsberger, Germering